Tag 2 – Raue See
Sonntag, der 16. April
Hallo,
seit Samstag kenne ich einen neuen italienischen Ausdruck: mare mosso. Das heißt raue See.
Vinzence, ein Steward auf der Fähre von Neapel nach Capri, forderte alle Passagiere auf, sich in die Mitte zu begeben. Dort sei es erträglicher. Die Touris blieben auf ihren Fensterplätzen im Bug des Fähre sitzen. Vinzence verteilte Tütchen.
Hinterher sammelte er die Tütchen wieder ein. Eine Frau hatte ihre Tüte nicht getroffen. Schimpfend nahm Vinzence zur Kenntnis, wie die Frau ihren Platz putzte. Dabei brachte er zum Ausdruck, dass er es doch gesagt habe und er nicht verstehen könne, warum ihm keiner glaube. Matthias gab das Schimpfen fast korrekt wieder, obwohl er kein Italienisch kann. Das zeigt, wie viel Empathie und Menschenkenntnis er besitzt.
Als wir in Capri von Bord gingen, wurden wir von vielen Leuten gefragt, ob wir nicht ein Taxi wollten. So würden wir bequem zum Hotel gebracht.
Jetzt war es Zeit für meinen neuen Wortschatz. Mein Magen hatte zwar alles behalten, aber sein Inhalt schien immer noch entdeckungsfreudig zu sein. Ich erklärte bestimmt, dass ich nach dem Mare mosso jetzt nur noch Ruhe wünsche.
Meine Gesichtsfarbe chargierte wohl genau in dem zarten Grünton, dass die Taxifahrer Angst bekamen, mit unserem Transport ihre restlichen Tageseinnahmen zu verlieren. Selbst wenn die Versicherung die Tageseinnahmen ersetzte, müsste irgendwer das Taxi wieder befahrbar machen. Die Taxifahrer kannten das schon. So streckte das Mare mosso auf diese Weise seine gierigen Finger weit ins Inland und forderte weitere Opfer.
Wir kamen unbehelligt zum Hotel.
Matthias sah aus wie immer. In seinem Beruf hat er wohl gelernt, auch unter widrigen Bedingungen alles bei sich zu behalten. Während ich die Überfahrt liegend verbracht habe, saß er stoisch neben mir und guckte aus dem Fenster. Das ist der Stoff, aus dem wahre Helden sind.
Schöne Grüße
Pinky