Tag 5 – To do or not to do
Freitag, der 23. Juni
Hallo,
Gestern stand auf meiner To-Do-Liste: Insel von la Toja besuchen. Früher wurde dort das Vieh der Bewohner von El Grove geweidet, das sie vorher extra auf Booten hinüberruderten. Wann die Insel zum Ferienparadies wurde, verrät Wikipedia. Das war im 19. Jahrhundert. Darüber, wann die Brücke zum Festland gebaut wurde, schweigt sie sich aus. Ich gehe mal davon aus, dass die Brücke im selben Jahrhundert entstand.
Außerhalb der Saison in einem Ferienressort zu sein, ist zwar immer etwas gruselig. Innerhalb der Saison möchte ich hier aber erst recht nicht sein. Gut, wer sich in einem Smoking so bewegen kann, dass er nicht verkleidet wirkt, ist hier sicher gut aufgehoben. Er sollte aber auch Sportkleidung mitbringen. Golf- und Tennisschläger sind ein Muss, Badekleidung nice to have.
Wir nutzten die Gelegenheit, allein auf der Insel zu sein und fanden ein kleines, verlassenes Hobbitdorf. Liebevoll angelegt liegt es in einem Kiefernwald. Hobbits sollen laut Herrn Tolkien ungefähr Kindergröße haben. Deshalb kann man bis etwa acht Jahre aufrecht in die Höhlen gelangen. Ältere Kinder müssen sich bücken. Erwachsene können wählen zwischen kriechen und robben. Aber was sollen Erwachsene auch an so einem Ort anfangen? Die würden nur – so wie Juan Miguel und Soledad – nach Bilbo und Frodo rufen und kämen sich dabei furchtbar ulkig vor.
So ein Ort muss ordentlich bespielt werden. Man muss sich nicht unbedingt an Herrn Tolkiens Vorgaben halten. Hier können auch eigene Geschichten erlebt werden. Und wenn man sich schon an Herrn Tolkiens Vorgaben hält, sollte man wissen, dass Bilbo und Frodo schon vor langer Zeit mit den Elben gen Westen übers Meer zu den Anfurten gesegelt sind. Deshalb sind Bilbo und Frodo eher in Disneyland zu finden als hier. Ich war versucht Juan Miguel und Soledad das zu erklären, aber sie hörten auf herumzuschreien, bevor ich zu so drastischen Maßnahmen greifen musste.
Zum Essen gingen wir über die lange Brücke nach El Grove in ein Fischrestaurant. Am Tisch neben uns saßen acht Schweizer und verputzten einen Steinbutt. Den Fisch hatten sie mitgebracht und sich vom Wirt zubereiten lassen. Dass der Fisch bereits in sehr viel Wein schwamm, merkten wir, als Eiswürfel flogen.
Urs saß neben dem Weinkühler und überlegte, welche Möglichkeiten in dem Kübel stecken. Ich kann mich an Situationen erinnern, in denen ich mit einem Eimer voller Eiswürfel ähnlich viel Frohsinn verbreitet hätte. Deshalb schlug ich vor, nach der Rechnung zu verlangen und den Kaffee in einem benachbarten Restaurant einzunehmen.
Ich bin mit den Schweizer Gepflogenheiten zu wenig vertraut, um einschätzen zu können, was als nächstes passiert wäre. Ich erwog, George, den Kellner, zu bitten, mir auch einen Weinkühler voller Eiswürfel zu bringen. Bei Schweizern weiß man ja nie. Ich war hin- und hergerissen zwischen Verweilen und Flucht. Schlussendlich wollte ich zu gern wissen, wie die Geschichte ausging.
Matthias meinte, falls sich meine Vermutungen bewahrheiteten, dass es zu Ausschreitungen käme, könnte man es tags drauf sicher aus der Zeitung erfahren. Der Vorteil seines Vorschlags leuchtete unmittelbar ein. Mit 8 betrunkenen Schweizern in einer Zelle zu sitzen, steht nämlich auf meiner Not-to-do-Liste.
Es grüßt dich
Pinky