Tag 2 – Auf Bergtour durch Porto

Dienstag, der 20. Juni

Hallo,

Als wir gestern Porto erkundeten, fragte ich mich, wie das hier wohl ausgesehen hat, bevor Häuser standen. Vor den ersten Siedlern war Porto ein Paradies für Freeclimber, Kletterer mit Seil und Bergwanderer jeder Art. Hier hätte die Weltelite des Bergsports trainiert. Wahrscheinlich wäre an Plänen gearbeitet worden, um die Gegend hier großflächig zu beschneien, damit auch Extremskifahrer auf ihre Kosten kommen können. Das alles wurde dadurch verhindert, dass vor 4000 Jahren irgendein Wahnsinniger begann zu bauen. Gerade vor 4000 Jahren war diese Gegend nicht so dicht bevölkert wie heute. Ein Bauplatz wäre frei wählbar gewesen.

Wenn mir hier jemand sagt, etwas ist nur hundert Meter entfernt, würde ich als erstes nachhaken, ob es sich um Höhenmeter handelt.

Die Stadt ist der Wahnsinn. Unglaublich schön. Obwohl hier sehr viele Autos fahren, wird wenig gehupt. Die Autotrassen sind sehr schmal, dafür sind die Busse sehr hoch. Fast nur Doppeldecker. Grund genug, in einen einzusteigen und sich das Ganze von oben zu betrachten.

Prompt erlebten wir eine Extremsituation. Ein Bus kam unserem entgegen. Ich bereitete mich auf das Schlimmste vor. Aber der Fahrer im entgegenkommenden Bus war ein Spielverderber. Genau die Sorte Mensch, die einem mit einem schweren Koffer hilft, wenn man sich über unachtsame Mitmenschen ärgern will. Er wartete einfach an einer geeigneten Stelle. Durch die Hügellage ist es wohl sehr schwer alle Straßen so zu planen, dass zwei große Busse bequem aneinander vorbeifahren können. Ich hatte überhaupt nicht damit gerechnet, dass diese harmlose Busfahrt zu einer Forschungsmission ausarten würde.

Mein Platz ganz oben war weise gewählt. Ich konnte das Manöver genau beobachten: Unten war der Abstand zwischen den Bussen etwa einen Meter, oben nur noch handbreit. Dass das unfallfrei geklappt hat, hat mich dabei weit weniger erstaunt, als die Tatsache, dass alle Verkehrsteilnehmer dabei ruhig geblieben sind. Keiner bekam einen roten Kopf, es wurde nicht rüde gestikuliert und ich habe nicht ein Schimpfwort gelernt. Eine ziemlich magere Ausbeute für so ein Ereignis.

 

Aber ich hätte kein Busticket kaufen müssen, um für einen Stau zu sorgen. Jeder herkömmliche Radfahrer kann den Verkehr erfolgreich verlangsamen, weil keiner überholen kann. Bisher hab ich genau einen Radweg entdeckt. In allen anderen Straßen teilen sich Radfahrer, Autos und Busse die Fahrbahn. Dabei weiß ich nicht, wen ich am meisten bewundern soll: Die Busfahrer, die ihre riesigen Gefährte ohne einen Kratzer durch die Straßen bugsieren, die Autofahrer, die nicht hupen oder die Radfahrer, die in dieser Hügelwelt ein erstaunliches Tempo vorlegen.

 

Ich hätte bei Matthias Urlaubsplanung stutzig werden müssen. Nach unserem Urlaub will er noch mit seinen Kletterfreunden losziehen. Bisher hat er in den Wochen vor so einer Tour immer eifrig trainiert. Natürlich ist Coesfeld dafür ungeeignet. Aber Porto ist es. In seinem Handgepäckkoffer hab ich inzwischen meine Bergschuhe entdeckt. Wahrscheinlich erwarten mich noch mehr Orte, an denen schon vor sehr langer Zeit Freunde des Bergsports siedelten.

 

Schöne Grüße
Pinky

ArtGedeck Michéle Pinkernel

@2023 - ARTGEDECK, Michèle Pinkernell

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