Tag 6 –  Die blaue Grotte

Donnerstag, den 20. April

Hallo,

gestern waren wir in der blauen Grotte. Das muss man gesehen haben!
Die Grotte selber ist langweilig. Der Rummel drumherum ist das wahre Highlight.
Eine wirklich lange Treppe führt ans Meer. Aus zuverlässiger Quelle weiß ich, dass die Leute in der Saison dicht an dicht bis hinunter stehen. Unten rudern ca. 10 wackere Männer übers Wasser. Was wie ein Riesenchaos wirkt, hat System: Zentrum des wilden Geplantsches sind Marco und Césare. Die sitzen im Kassenboot und verlangen pro Person 15,- € für den Trubel.
Die wackeren Ruderer sammeln die Leute ein. Ein Teil rudert zu der Treppe und fordert immer 4 Wartende auf, sich ganz flach ins Boot zu legen, weil der Höhleneingang sehr niedrig ist. (Bei Ebbe 50 cm.) Die Fahrt geht weiter zum Kassenboot, dort wird bezahlt und dann trennen einen von der Grotte nur noch andere Boote, die anstehen.

Wem der Einstieg vom Steg aus zu gefährlich erscheint, sollte es lassen. Die Alternative ist halsbrecherisch. Außer den Ruderbooten schippern noch jede Menge Ausflugsschiffe herum. Auch von dort werden jeweils vier Leute eingesammelt und dann über Kassenboot und Grotte wieder zum Ausgangsort gebracht.
Unser Kapitän hieß Lorenzo.
Der Höhleneingang  ist tinzig-winzig. Deshalb legte sich Lorenzo kurzerhand auf den obersten Passagier. In der blauen Grotte erklärte er, dass man aufs Wasser schauen soll und behauptete, die Farbe des Wassers komme von der Sonne. Naja. Als Physikerin finde ich diese Erklärung etwas stark verkürzt.

Zu seiner Ehrenrettung sei gesagt: Für mehr Erklärung reicht die Zeit nicht, denn einmal in der blauen Grotte wird gesungen. Jeder Seemann trällert ein anderes Lied.
Da die wenigsten Passagiere italienisch können, behaupte ich mal, dass die Texte manchmal frei improvisiert sind. Es würde mich nicht wundern, wenn da so manche Textzeile den Wetterbericht oder ein Kuchenrezept beschreibt.
Die eigentliche Leistung besteht darin, dass Lorenzo und seine Kollegen singenderweise zweimal im Kreis rudern. Tja, und dann geht’s wieder nach draußen.
Von Manuela aus Dessau erfuhr ich, dass man bei der Prozedur auch komplett durchnässt werden kann. Wir blieben trocken. Leute im Nachbarboot nicht.
Da wenig los war, fand ich es ganz lustig, hätte ich lange gewartet, wäre ich mir ein wenig veralbert vorgekommen.

Nach der Grotte machten wir uns auf zum Westzipfel der Insel. Dort steht ein Leuchtturm.
Der Weg ist weit und führt über einen liebevoll angelegten Naturlehrpfad. Was man unbedingt dabei haben sollte, ist eine Machete. An einigen Stellen hat sich die Natur ihr Reich zurückerobert. Eigentlich wäre genug Platz für eine friedliche Koexistenz, aber warum nicht einfach mal Stress verbreiten?
Man trifft wenig Wanderer. Es gibt keine Cafés. Wahrscheinlich hängt das zusammen.

Dafür gibt es unzählige Treppen. Da ist viel Schönes dabei. Es schadet nicht, wenn man trittsicher und schwindelfrei ist. Muskelkater am Folgetag ist garantiert. Für die Stufen gibt es nur ein Kriterium: Hauptsache steil.
Am Leuchtturm gibt es eine Bar, die ordentlich bewirtschaftet ist. Es ist die einzige Bar weit und breit. Die Ankommenden sind hungrig und erschöpft. Trotzdem bekommt man alles, was man möchte, in guter Qualität zu ortsüblichen Preisen.
Zurück sind wir Bus gefahren. Das ging schnell und war abgesehen von der Aussicht unspektakulär. Vielleicht war ich einfach zu müde, um irgendwas mitzukriegen. Im Hotel hab ich zum ersten Mal die Stufen bis zu unserem Zimmer gezählt. Es sind 21.
Ich weiß, dass das die Information ist, die dich am meisten interessiert.

Schöne Grüße
Pinky

ArtGedeck Michéle Pinkernel

@2023 - ARTGEDECK, Michèle Pinkernell

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