Tag 4 – Viel Lärm in Braga

Donnerstag, der 22. Juni

Hallo,

gestern waren wir in Braga. Dort stehen die Vorbereitungen für das Mittsommernachtsfest kurz vor dem Abschluss. Um den heidnischen Ursprung zu übertünchen, wird behauptet, dass der heilige Johannes gefeiert wird.

Als wir in Braga ankamen, gingen wir davon aus, dass es mehr Autos als Parkplätze gäbe. Deswegen wollten wir so lange durch die Straßen kurven, bis ein Stellplatz frei wird. Soweit wir das beurteilen konnten, verhielten sich alle anderen Fahrer in dem Konvoi, der sich durch die Straßen schob, genauso.

Dieser sorgfältig ausgetüftelte Plan wurde durch ein Wunder vereitelt. Wir entdeckten die geheime Einfahrt zur örtlichen Tiefgarage. Dadurch fuhren wir in den illustren Kreis derer ein, die von sich behaupten können, in Bragas Tiefgarage gewesen zu sein. Deshalb gebe ich noch heute die Gralssuche auf. Das ist ein Job für Amateure.

 

Wir waren die einzigen in der geräumigen Tiefgarage. Ich machte mir ein wenig Sorgen, ob das Auto mitspielen würde. Vielleicht wollte es nicht allein an einem so dunklen Ort bleiben. Es hatte seine Mucken und sich bereits in Porto geweigert, den Innenraum zu kühlen. Im Westen der iberischen Halbinsel ist das kein allzu großes Problem. Wegen der üppigen Vegetation ist es hier vergleichsweise kühl. So stellt der Autoverleiher sicher, dass keiner mit dem Auto abhaut. Spätestens ab Oviedo, León oder Salamanca drehen die Fahrer freiwillig wieder um, wenn sie dann dazu noch in der Lage sind. Viel wahrscheinlicher ist, dass ein vertrocknetes Häufchen Staub auf dem Fahrersitz zurückbleibt.

Der großen Ehre als erster Wagen überhaupt, einen Stellplatz in Bragas Tiefgarage zu benutzen, konnte sich der Wagen nicht verschließen. Ein wenig eitel, finde ich. Vielleicht lässt sich dieser Wesenszug noch nutzen.

Wie Braga normalerweise aussieht, konnten wir nicht feststellen. Die Stadt ist flächendeckend mit blauen Bändern geschmückt. Für Lichterketten ist es im Moment zu hell. Deswegen sind über die Straßen blaue Banner mit Bildern des Heiligen gespannt. In der Altstadt sind strategisch günstig Lautsprecher angebracht, dass Musik die Luft weiträumig verkleben kann. Manche Läden halten mit eigener Musik dagegen. Ich weiß nicht, ob sie sich damit einen Gefallen tun. Auch wenn wir schleunigst an ihnen vorbeigelaufen sind, waren diese Läden nicht leer. Wer ein Hörgerät besitzt, kann es ausstellen. Da ich keines besitze, war ich im Nachteil. Ich konnte noch nicht mal aus sicherer Entfernung prüfen, ob sich die Leute im Laden in Gebärdensprache unterhielten. Ich werde den Laden anschreiben und höflich nachfragen, wen sie durch den Höllenlärm, den sie veranstalten, vergraulen wollen.

Warum die Stadtväter vergessen hatten, die Straße vor der Kathedrale Sé Velha mit Lärm zu einzudecken, weiß ich nicht. Vermutlich war das eine Nachlässigkeit, die ihnen bei der nächsten Kommunalwahl zum Verhängnis wird. Wahrscheinlich war ihnen das Geld ausgegangen. Ich hätte da einen Tipp: Mit der Tiefgarage ließe sich Geld verdienen. Sie müssten vorher nur ein wenig Geld für Hinweisschilder locker machen. Danach wäre es ein Selbstläufer.

Erschöpft ließen wir uns nieder und tranken Kaffee. Wir mussten uns stärken, bevor wir uns dem infernalischen Lärm zu Ehren des heiligen Johannes wieder stellten. Was hat der arme Mann nur verbrochen? Ich muss das unbedingt mal nachschauen. Meine Vermutung: Er zog blau gewandet, laut grölend durch den Sonnenschein, bevor er Leute taufte.

Es grüßt dich

Pinky

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Tag 4 – Viel Lärm in Braga

ArtGedeck Michéle Pinkernel

@2023 - ARTGEDECK, Michèle Pinkernell

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